Doresh
Forenpuschel
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Jeder deutsche Pen-and-Paper-RPGler ist im Laufe seines Nerdlebens mit Sicherheit schon auf "Das Schwarze Auge" gestoßen, Deutschlands Heimrollenspiel Nr. 1. Über die Regeln kann man streiten (in welchem System nicht?), aber dennoch hat DSA einen festen Platz im Herzen vieler Gamer, nicht zuletzt wegen Aventurien, dem reichen Setting des Spiels, dass sich im Laufe der Jahrzehnte mehr oder weniger in Echtzeit entwickelt hat.
In den 90ern schaffte es DSA mit der Nordland-Trilogie zum ersten Mal auf den PC und erreichte unter dem Namen "Realms of Arkania" internationale Bekanntheit. Nach dieser Trilogie schien Das Schwarze Auge jedoch regelrecht verflucht gewesen zu sein: Keine der geplanten PC-Adaptionen schaffte es über die Entwicklungsphase hinaus (na ja, zumindest wurden die Engines für Divine Divinity und Sacred weiterverwendet
). 2008 schaffte es Radon Labs jedoch, eine Adaption basierend auf der aktuellen 4. Edition zu veröffentlichen - und zwar eben dieses Spiel. Der Fluch scheint gebrohen, doch hat sich das Warten gelohnt? Lest selbst!
StoryIn den 90ern schaffte es DSA mit der Nordland-Trilogie zum ersten Mal auf den PC und erreichte unter dem Namen "Realms of Arkania" internationale Bekanntheit. Nach dieser Trilogie schien Das Schwarze Auge jedoch regelrecht verflucht gewesen zu sein: Keine der geplanten PC-Adaptionen schaffte es über die Entwicklungsphase hinaus (na ja, zumindest wurden die Engines für Divine Divinity und Sacred weiterverwendet


Besuchen Sie Ferdok! Mord inklusive!
In einem Brief wird man von seinem alten Freund Ardo darum gebeten, ihn in seinem Wohnsitz in Ferdok, einer Stadt im Herzen des Mittelreichs, zu besuchen. Dort anzukommen ist leichter gesagt als getan, da die Handelswerke gesperrt sind. Hat man es schließlich nach Ferdok geschafft, muss man feststellen, dass Ardo ermordet wurde!
Nun ja, man erbt sein Anwesen, aber dafür erweist sich der Mordfall als äußerst mysteriös: Ardo ist nicht das einzige Opfer, und sie alle scheint etwas zu verbinden. Hat es vielleicht etwas mit der nahenden Drachenqueste zu tun?
Als Low-Fantasy-Setting ist Aventurien für seine eher bodenständigen Abenteuer bekannt (wenn Galotta gerade mal keinen Comic-Superschurken-Plan verfolgt :nerv: ). Drakensang startet daher recht harmlos mit dem Besuch bei einem Freund, der sich zu einem Krimi entwickelt und von da aus langsam epischer wird. Von daher dürfte es wohl keinen Aufschrei aufgebrachter Fans geben ^^.
Ein RPG lebt natürlich von seinen Charakteren, und Drakensang hat hier gute Arbeit geleistet: Es gibt einige liebenswürdige, quirlige und vielschichtige Charaktere. Besonders bei den eigenen Gruppenmitglieder gibt es einige interessante Gestalten, wie einen bartlosen Zwerg oder eine Elfe, die man vor einem Evil-Dead-Baum retten muss XD
DSA-Fans werden sich natürlich über die ganze Referenzen und Redewendungen ("Den Zwölfen zum Gruße") freuen, die dem Ganzen seinen besonderen Aventurien-Touch verleihen und sehr dabei helfen, sich sofort wohl zu fühlen. DSA-Neulingen können sich zumindest darüber freuen, ausnahmsweise mal kein Dark-Fantasy-Setting vorgesetzt zu bekommen, indem das Farbspektrum nur aus Brauntönen besteht und alle Menschen rassistische Rektalöffnungen sind...


Brandstiftung und Leichenschändung - für Kinder ab 12 Jahre!
Wie so viele andere Spiele dieses Genres wurde Drakensang vom großen Vorbild "Baldur's Gate" (will das jemand reviewen? Wenn nicht mach ich das
Einige Spieler werden vielleicht enttäuscht sein, dass die Charaktererschaffung nicht vollständig frei ist: In Drakensang sucht man sich einen Archetyp (wie Krieger, Kampfmagier oder Zwergensöldner) aus, der quasi schon vorgefertigt ist. Man kann sich einen Namen und ein Geschlecht aussuchen sowie Puntke umverteilen, wenn man dies wünscht.
Der Grund hierfür liegt weniger am Spiel, sondern an den Regelmechanismen von Das Schwarze Auge an sich. Denn auch hier gibt es Archetypen zum sofort-losspielen, da die Erschaffung eines eigenen Charakters einiges an Zeit beanspruchen kann. Insofern kann man das verschmerzen, hat man doch später genug Gelegenheit, den Charakter nach eigenen Wünschen anzupassen.
Nur schade, dass sie nicht noch mehr Archetypen anbieten. Immerhin kann man in DSA auch ein Rattenfänger oder eine Hafehure sein
DSA ist ein überwiegend talentbasiertes System, daher kann man in Drakensang einiges an Talenten bei diversen Lehrmeistern erlernen, die alle ihren Nutzen haben. So verbessert "Sinnenschärfe" den Sichtradius der Minimap und warnt vor Fallen, "Wildnisleben" hilft beim Aufspüren von Pflanzen und Tieren, und mit "Betören", "Menschenkenntis" und "Überreden" erhält man neue Gesprächsoptionen.
Die unterschiedlichen Waffentypen sind auch als Talente vertreten. Hier kann man durch die Aufteilung der Talentpunkte in Attacke und Parade beeinflussen, wie offensiv oder defensiv man mit der jeweiligen Waffe kämpft. Schön ist hier, dass auch Diebe und Magier recht gut auf sich selbst aufpassen können, wenn man genug Punkte investiert.
Zur Abrundung der Waffen gibt es diverse Sonderfertigkeiten, die passive Boni bieten oder spezielle Kampfmanöver erlauben.
Zu guter letzt gibt es noch Zauber, die wie Talente erlernt und gesteigert werden, aber natürlich nur Magieanwendern vorbehalten sind.
Anders als etwa bei Dungeons & Dragons (und damit praktisch jedem Roguelike und Dungeon Crawler) reduziert Rüstung den erlittenen Schaden. Schwere Rüstung bietet hervorragenden Schutz, hat jedoch gleichzeitig eine hohe Behinderung, die die Kampfwerte negativ beeinflusst. Hier helfen bestimmte Sonderfertigkeiten und eine clevere Wahl der Bewaffnung ("elegante" Waffentypen wie Fechtwaffen werden deutlich stärker von Rüstungen beeinflusst als etwa Zweihandschwerter).
Ebenfalls ungewöhnlich ist die Tatsache, dass man sich pro Runde nur eine erfolgreiche Attacke parieren kann. Selbst schwache Gegner werden so zur Bedrohung, wenn sie zahlenmäßig überlegen sind. Für "Tanks" bietet sich daher ein Schild an, der 2 Paraden ermöglicht.
Alles in allem eine rundum gelungene Umsetzung des DSA-Regelsystems mit spannenden Kämpfen und knackigen Rätseln. Kenner der Regeln können praktisch ohne Tutorial oder Studium des Handbuches loslegen, und die Charaktere sind quasi ohne große Veränderung im "richtigen" DSA spielbar.
Es gibt aber diverse Abweichungen zu den Regeln: einige Sonderfertigkeiten und Zauber funktionieren ein klein wenig anders (kann man aber verschmerzen, da die Grunfunktion die gleiche ist), und Charaktere regenerieren ihre Lebens- und Astralpunkte in Rekordzeit. Damit bin ich durchaus einverstanden, da es in einem PC-Spiel etwas nervig sein kann, wenn man sich alle paar Kämpfe ausruhen muss (und dabei eh nicht zur Ruhe kommt, weil man von irgendwelchen Monstern überfallen wird). Das man jedoch auch während eines Kampfes regeneriert - wenn auch sehr langsam - ist aber vielleicht etwas viel des Guten. Alles in allem werden die Kämpfe aber nicht so sehr davon beeinflusst, ledliglich der Spielfluss wird enorm beschleunigt.
Drei Sachen stören mich jedoch: Der Metamagier-Archetyp beherrscht den Skelettarius-Zauber - der Skelett-Beschwörungs-Zauber des Spiels. Dummerweise ist jegliche Form von Nekromantie dämonische Schwarzmagie und ein Frevel gegen die Zwölfgötter, aber das scheint hier niemanden zu stören...
Oh, und was sollen diese Skelettmagier? So etwas gibt es eigentlich nicht in Aventurien Oo
Und warum kann man bestimmte Gebiete nicht wieder betreten, wenn man den Hauptquest dort erfüllt hat?
Drakensang ist vielleicht nicht ganz auf der Höhe der Zeit, aber dafür kommen auch Besitzer älterer PCs in den Genuss des liebevoll umgesetzten Aventuriens.
(Abgesehen von jungen Mädchen vielleicht, deren Köpfe viel zu erwachsen aussehen Oo )
Sound
Die Musik ist schön stimmig und atmosphärisch. Bei der Sprachausgabe gibt es hingegen zwei Wermutstropfen: Meist wurde nur der erste Teil eines Gespräches vertont, und Magieanwender verwenden irgendein Gibberish statt der korrekten Zauberformeln. Das sollte allerdings nicht von der meist guten Arbeit der Sprecher ablenken.
Gold Edition
Die Gold-Edition bietet einige nette Schmankerl: Ein Video-Interview, den kompletten Soundtrack, eine Hörspiel-Hörprobe (man, klingt das seltsam), Edel-Texturen sowie die kompletten DSA-Basisregeln samt Abenteuer. Besonders die letzten beiden (oder drei, je nach eurem Grafikgeschmack) Extras sorgen für ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis, das schwer zu schlagen ist.
(Ich vermute mal, dass die Basisregeln auch in der normalen Edition erhältlich sind, aber da ich nun mal nur die Gold Edition hab, bin ich mir da nicht sicher. Im Sequel ist das jedenfalls so)
Fazit
Es hat ein bisschen gedauert, aber endlich haben wir ein deutsches Baldur's Gate. Besser kann eine PC-Adaption nicht sein - außer vielleicht mit Multiplayer-Support wie in Neverwinter Nights, aber man darf ja nicht gleich übertreiben. Aber vielleicht, irgendwann...:nerv: