Xyxyx
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Dungeon Master
Plattform: Atari ST, Amiga, PC, SNES u.a.
Entwickler: FTL Games
Release: 1987
Spieler: 1
Genre: Echtzeit-RPG
„The legend pleases you?
You accept the challenge of the dreaded Firestaff?
Then enter the vaults of the mighty Dungeonmaster!“

Wir schreiben das Jahr 1987, in der Blütezeit der Heimcomputer veröffentlich FTL (Faster Than Light) das erste Echtzeit-Rollenspiel. Mit damals beeindruckender Grafik und innovativen Spielmechanismen wird Dungeon Master zum größten Erfolg des Publishers und zu einem absoluten Klassiker des Computer-Rollenspiels, das als Vorbild für viele kommende Entwicklungen dienen soll. Nur um Dungeon Master spielen zu können müssen viele Amiga-Besitzer tief in die Tasche greifen, um den Arbeitsspeicher ihres Computers von 512 KB auf 1 MB RAM zu verdoppeln. Ja, das waren noch Zeiten.
Story:
Über die wirklichen Hintergründe des Spiels informiert uns eigentlich nur die Anleitung mit einer liebevoll von Nancy Holder erdachten Kurzgeschichte, die – für damalige Zeiten wahrlich ungewöhnlich – euch exzellent ins Deutsche übertragen wurde: Der Graue Lord wurde bei einem mächtigen magischen Experiment entzwei gerissen, nun herrscht Lord Chaos – die böse, verderbte Seite des Grauen Lords – über die Verliese unter dem Berg, dort erschuf er gefährliche Monstren und entsann tückische Fallen. Sein Gegenpart – Lord Librasuslus – entsendet seinen Schüler Theron, der durch das magische Experiment körperlos wurde, in die Verliese um vier Helden auszuwählen, den Feuerstab zu Erringen und der Welt Frieden und Harmonie zurück zu bringen.
Gameplay:
Der Spieler schlüpft in die Rolle Therons, man bewegt sich in Echtzeit aus einer Zentralperspektive durch die Gänge und Hallen der Verliese. Die Fortbewegung erfolgt über Maus oder Tastatur, zur Auswahl stehen Schritte nach vorne, zurück, zur Seite oder Drehungen um 90°.

Theron kann aus 24 eingefrorenen Helden bis zu vier Auswählen, darunter Echsenwesen, Elfen, Hundegleiche… Sie alle verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Vier verschiedene „Berufszweige“ stehen unseren Helden offen, es handelt sich dabei um Kämpfer, die den Umgang mit schweren Waffen im Nahkampf beherrschen, Ninjas, die im Einsatz von Fernwaffen und kurzen Klingen geübt sind, Priester, die heilende Tränke brauen und Schutzschilde zaubern und schließlich Magier, die mit Feuerbällen und Giftwolken um sich werfen können. Jeder Held kann in jeder der Disziplinen zum Meister werden. Dabei stehen die Helden in der klassischen Formation, zwei vorne, zwei hinten, so dass die Strategie zwei Kämpfer und zwei Magier sehr viel Sinn ergibt. Der langsame Anstieg der Fähigkeiten ist wie in so vielen anderen Rollenspielen ein besonderer Reiz von Dungeon Master. So werden aus schwächlichen Charakteren, die zu beginn kaum zwei Hiebe überstehen, zum Ende hin wahre Kampfmonster oder Zaubermeister. Interessant ist bei der Entwicklung, dass man sich bei der Auswahl der Helden zwischen zwei Wegen entscheiden kann: Der Wiedergeburt oder der Reinkarnation. Bei der Wiedergeburt behält der Held seine Fähigkeiten und Stufen – ein guter Kämpfer bleibt also ein guter Kämpfer – während die Reinkarnation dafür sorgt, dass ein Held zwar seien Werte behält, aber alle Stufen verliert. Ein reinkarnierter Charakter hat also vielleicht viel Mana, kriegt zu Beginn aber keinen einzelnen Zauber hin. Dafür entwickeln sich reinkarnierte Charaktere natürlich weitaus schneller und erreichen so am ende auch höhere Werte, zudem ist die Reinkarnation die einzige Möglichkeit den Namen des Helden zu ändern. Demnach macht die Wiedergeburt also den beginn des Spiels leicht, während die Reinaknation am Spielende eindeutige Vorteile hat.
Der Kampf erfolgt über ein einfaches Menü am Bildschirmrand: Hier wird die Waffe oder der Gegenstand, den der Held in der Hand führt angezeigt, auf einen Klick können verschiedene Angriffsaktionen ausgeführt werden, schwache Angriffe können unmittelbar erneut ausgeführt werden, während nach starken angriffen einige – im aufreibenden Kampf durchaus lange – Augenblicke gewartet werden muss, bis die Waffe erneut einsetzbar ist. Im Magiesystem existieren keine einfach auszuwählenden Zauber, sondern insgesamt 24 Runen, die in bestimmten Kombinationen Zaubersprüche ergeben. So sorgt die Feuer-Rune für Licht, kombiniert man sie jedoch mit der Rune in Gestalt einen stilisierten Flügels, so schleudert man einen mächtigen Feuerball. Neue Zaubersprüche werden entweder auf Schriftrollen gefundene oder durch stetiges ausprobieren entdeckt. Die Kämpfe verlaufen wirklich in Echtzeit, man ist also gezwungen den Schlägen oder Zaubern der Feinde auszuweichen, gleichzeitig Zauber zu weben oder Angriffe auszuwählen. Langes Nachdenken oder Herumgewühle im Inventar ist also nicht möglich. Manchmal ist daher eher Flucht zur Heilung und Planung einer neuen Strategie angesagt, als blindwütiges Kämpfen. Sehr viele Monster lasen sich auch durch geschickte Bewegungen umgehen, denn die wenigsten Kämpfe sind unbedingt notwendig.

Ebenso finden sich im Dungeon neue Waffen, stärkere Rüstungen und magische Gegenstände. Doch Vorsicht: Der Inventarplatz und die Tragkraft der Charaktere sind begrenzt. Man muss auch darauf achten, dass die eigenen Helden nicht verhungern oder verdursten. Findet man auf den ersten Ebenen des Dungeons noch Lebensmittel und Wasser in Hülle und Fülle, so wird es tiefer in den Verliesen um so knapper. Glücklicherweise hinterlassen manche Gegner Nahrung und da sich einige von ihnen immer neu entstehen gibt es gewissermaßen „Vorratsräume“, doch der weg dorthin ist manchmal weit.
In den ersten Levels sind die Rätsel noch einfach, meist geht es nicht um mehr als hier einen Schlüssel aufsammeln, dort einen Schalter drücken und da ein Türchen öffnen. Später wird es jedoch wirklich kniffelig: Da gilt es dann passierbare Wände zu finden, sich rückwärts in eine bestimmte Richtung zu bewegen oder kaum sichtbare Schalter und Schlüssel – grauer Schlüssel auf grauem Stein ist manchmal kaum zu sehen – zu finden. Ebenso nehmen Fähigkeiten und Intelligenz der Monster zu. Besonders an Dungeon Master ist, dass die Gegner sich nicht an festen Plätzen aufhalten, sondern sie sich – sofern ihnen keine Türen, Treppen oder andere Blockaden im Weg stehen – frei in den Kerkern bewegen. Die Gegner haben natürlich auch verschiedne Stärken und Schwächen, einige lassen sich von Magie nicht beeindrucken, während bei anderen Waffengewalt nicht einmal einen Kratzer hinterlässt.
Von Hintergrund und Geschichte bekommt man im eigentlichen Spiel freilich kaum etwas mit, vielmehr geht es darum Monster zu besiegen, Schätze zu plündern und Rätsel zu lösen. Es handelt sich bei Dungeon Master demnach um den Urvater des Echtzeit-Dungeoncrawls im Computer-RPG.
Dieses Spiel lebt von einer Atmosphäre, wenn man im sich langsam abdunkelnden Dungeon den Klang von sich bewegenden Untoten näher kommen hört, Drachen besiegt oder schwer verletzt beim Rückzug auf fast unbesiegbare Ritter stößt, es ist einfach klassische Fantasy, die einen ständig in Atem hält. Wenn es denn einmal nicht die Gegner sind, so sind es eben die erwähnten Rätsel, denn eine Lösung muss es ja geben, bis diese aber gefunden ist, hat man häufig versucht mit dem Kopf gegen durch die Wand zu rennen. (Die ist für die Helden mit Sicherheit und für den ein oder anderen frustrierten Spieler vielleicht wörtlich zu nehmen)
Grafik:
Aus heutiger Perspektive wirkt Dungeon Master natürlich recht armselig, doch früher gehörte es mit zum besten, was je auf dem Amiga oder dem Atari gesehen wurde: Eine pseudo-3d-Perspektive, recht flüssige Bewegungen der Monster, viele unterschiedliche Charaktere und sogar der ganz leichte Einsatz von Effekten – ein vorbeifliegender Feuerball hellt die Umgebung leicht auf – sorgten für große Augen und offene Münder.

Sound:
Es gibt keinerlei Hintergrundmusik, sondern allein Soundeffekte. diese sind jedoch von recht guter Qualität: Manchmal hört man Monster in der Dunkelheit bevor man sie erblickt und auch die eigenen Charaktere geben Geräusche von sich, dabei handelt es sich zwar nur um ein monotones Stöhnen, doch gerade diese vereinzelten Effekte tragen zur Dungeon-Atmosphäre bei.
Versionen:
Die einzelnen Ausgaben des Spiels unterscheiden sich kaum voneinander, der Amiga bietet die etwas höherere Tonqualität, spätere Versionen haben einige Kleinigkeiten an der Bedienung komfortabler gemacht, doch auf welcher Plattform man Dungeon Master spielt ist im Grunde gleich. Allein die Version für das SNES, die 1991 erschien, weist signifikante Unterschiede auf. Zwar gibt es auf dem SNES Hintergrundmusik, doch dieser Vorteil überwiegt nicht die sonstigen Schwäche: die Steuerung mit dem Gamepad ist deutlich weniger komfortabel als jene mit Maus und Tastatur, zudem wurde die Grafik geändert, Helden und Menüs sehen nun deutlich anders aus, dabei jedoch deutlich weniger stimmungsvoll.


Sonstiges:
Schon kurz nach dem Erscheinen wurde Dungeon Master mit Chaos Strikes Back fortgesetzt, einem Spiel mit noch schwierigeren Rätseln und härteren Kämpfen. Spielte in Dungeon Master noch die Entwicklung der eigenen Party eine große Rolle, so startet man in Chaos Strikes Back mit bereits hochentwickelten Helden – entweder der eigenen, aus Dungeon Master exportierten Gruppe – oder neuen Charakteren auf hohen Stufen. Chaos Strikes Back ist auf jeden Fall einen Blick wert, doch sollte man sich zunächst einmal mit Dungeon Master auseinander gesetzt haben.
In den 90ern erschien das langerwartete Dungeon Master II: The Legend of Skullkeep. Am altbekannten Spielprinzip wurde nur wenig geändert, ein wenig aufgebohrte Grafik, Schnee Hintergrundmusik und vereinzelte neue Gameplay-Mechanismen konnten nicht verhehlen, dass das Spielprinzip bei erscheinen schon echt antiquiert wirkte. Recht unbeachtet und ohne Erfolg blieben die Umsetzungen Theron‘s Quest für die PCEngine, das nicht den Weg nach Europa fand und Dungeon Master Nexus für den Sega Saturn, das Japan nie verließ.
Fazit:
Aus heutiger Sicht wirkt Dungeon Master altbacken, der Grafik fehlt der Charme von gewissen Super-Nintendo-Rollenspielen, Hintergund, Story und Nebenquests sind quasi nicht vorhanden, einige Rätsel sind – so völlig ohne Hinweise - schwierig bis unfair und manche Gameplay-Mechanismen wirken eher enervierend als herausfordernd – wie etwa die Notwendigkeit sich ständig um Essen zu kümmern. Dennoch ist und bleibt Dungeon Master nicht nur ein großartiges Spiel, sondern ein absoluter Klassiker. Wer sich mit Computer-Rollenspielen beschäftigt sollte auf jeden Fall einen Blick auf dieses Spiel werfen und es gelingt der beeindruckenden Atmosphäre immer noch den Spieler einzunehmen. Wenn man sich auf ein wirkliches Retro-Erlebnis einlässt, so wird man mit einer spannenden Herausforderung belohnt und beginnt vielleicht zu verstehen, warum sich vor fast 25 Jahren Spieler für Dungeon Master wochenlang in ihre Keller einschlossen.
Wertung:
Die Wertung ist in erster Linie aus Sicht der damaligen Leistungsfähigkeit der Systeme und dem Vergleich mit ähnlichen Spielen zu verstehen. Solche Retro-Games nach heutigen Maßstäben - gerade hinsichtlich der Grafik – zu bewerten ist beinahe unmöglich.
Positiv:
– Zum damaligen Zeitpunkt völlig innovatives Spielprinzip
– Intelligente Rätsel
– Interessantes Magiesystem mit der Nutzung von Runen
– klassische Dungeoncrawl-Atmosphäre
Negativ:
– z.T. unfaire Stellen
– fehlende Story im Spiel
Gameplay: 08/10
Grafik: 09/10
Sound: 06/10
Spielspaß: 09/10
Ausblick:
Alle Interessierten sollten sich einmal in der Dungeon Master-Encyclopedia umsehen. Zudem gibt es u.a. mit Chaos Strikes Back und Return To Chaos inzwischen zwei mit dem ursprünglichen Spiel fast identische Remakes für aktuelle Computer. Etwas aktueller – aber immer noch wirklich retro – ist die Java-Version. Zu guter letzt sei noch eine Empfehlung für einen Dungeon Master-Clone ausgesprochen: Conflux III: The Undercity hat Steuerung und Atmosphäre des alten Dungeon Master und ist eines der Herausfordernsten Rollenspiele aller Zeiten – der Schwieirigkeitsgrad ist mehr als nur enorm.