Strategie Freedom Force (PC)

Doresh

Forenpuschel
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Freedom Force

Entwickler: Irrational Games
Publisher: Electronic Arts
Release: 2002

Wie einige von euch möglicherweise Wissen, habe ich eine kleine Schwäche für Taktik-Spiele, bevorzugterweise von der rundenbasierten Mecha-Variante. Echtzeit ist bei so etwas nicht wirklich mein Ding, erst recht wenn Spiele wie Fallout Tactics oder Blood Bowl beide Varianten anbieten und der Echtzeit-Modus nur ein seichter Marketing-Gag ist, um RTS-Fans anzulocken.
Lange Rede, kurzer Sinn: Eines schönen Tages habe ich der Versuchung Steams nachgegeben und ein richtiges Schnäppchen ergattert: Ein reines Echtzeit-Taktikspiel - mit Superhelden!

Story


Nichts geht über fiktive Comic-Cover als Ladebildschirme.

Das Jahr 1962: Der skrupellose Lord Dominion hat mit seinen Truppen schon so manche Dimension erobert. Genauer gesagt ist unsere Dimension die einzige, die er sich noch nicht unter den Nagel gerissen hat.
Durch seine bisherigen Erfolge etwas gelangweilt, hat er sich für unseren Planeten etwas besonderses einfallen lassen: Mithilfe von Energy X (sorgt für spontane Superkraft-Bildung) will er die sadistischsten und verkommensten Erdlinge in Superschurken verwandeln, um anschließend gemütlich von seinem Thron aus die Selbstzerstörung der Menschheit zu genießen.
Allerdings hat er die Rechnung ohne Mentor gemacht. Dieser Wiederstandskämpfer hat seinen Plan belauscht und kurzerhand die Kanister mit Energy X entwendet. Damit will er den Spieß umdrehen und der Menschheit im Kampf gegen Lord Dominion helfen. Dummerweise wird sein Schiff abgeschossen. Er kann zwar unversehrt in Patriot City notlanden, doch die Kanister haben sich über der ganzen Stadt verteilt. Dies ist die Geburtsstunde mehrerer Superschurken, aber auch -helden, die unter Mentors Banner die Freedom Force gründen. Können sie Recht und Ordnung aufrecht erhalten, oder wird Lord Dominions Plan doch aufgehen? Lest... äh, spielt weiter!


Kaum tauchen die ersten Superhelden auf, wird die örtliche Polizei ein wenig faul.

Freedom Force spielt nicht umsonst in den frühen 60ern, ist es doch eine offensichtliche Hommage an das Silver Age - jener schrulligen Periode der Comicgeschichte, in der die klassischen Golden-Age-Helden ihre heute gängige Gestalt erhielten (so wurde der alte Green Lantern mit seinem magischen Ring durch einen Weltraum-Polizisten ersetzt) und viele jüngere Helden (wie Spider-Man und die X-Men) geboren wurden, gleichzeitig aber auch etwas abstruse Geschichten erzählt wurden (weswegen der moderne Mainstream meist kein Verständnis für die Batman-Serie mit Adam West hat, obwohl die damaligen Batman-Comics sogar NOCH schräger und lächerlicher waren. Batbaby, anyone?).
Folglich ist die Handlung nicht düster, sondern bunt und... na ja, comichaft - Sprechblasen-Geräuscheffekte inklusive XD

Die verschiedenen Superhelden sind fast alle mehr oder weniger offensichtlich an bekannte DC- und Marvelgrößen angelehnt (Minuteman ist ein etwas stylischerer Captain America, El Diablo ist eine Latino-Version von Human Torch und Man-Bot ein sehr klassischer Iron Man) und allesamt sehr liebenswert - nicht zuletzt dank der schicken Videosequenzen, die die Origin Story von fast jedem Helden präsentieren.

Natürlich brauchen echte Helden auch echte Schurken - und das Spiel hat da einige Spinner und Verrückte anzubieten, wie Deja Vu, der einen Klonstrahler besitzt und ausschließlich in Reimen spricht :cool:

Alles in allem ist Freedom Force ein wunderbarer Trip in eine Zeit, als Helden noch echte Helden waren und Comics in erster Linie dafür da waren, um zu unterhalten.


Menschen und Autos anzuzündeln war damals auch noch in Ordnung

Gameplay

Freedom Force ist ein Echtzeit-Takikspiel mit schwenkbarer Kamera, in der man bis zu 4 Superhelden durch diverse Missionen dirigiert, die nicht selten aus mehreren einzelnen Teilabschnitten bestehen. Ähnlich wie in Bioware-Spielen kann man das Geschehen dabei jederzeit per Leertaste pausieren. Pausiert wird ebenfalls, wenn man eine Fähigkeit aus dem Aktiosnfenster (erreichbar mit rechter Maustaste) auswählt.


Ein Gauner konnte Minutemans "Strike for Freedom" ausweichen. Der andere... hatte weniger Glück.

Wie für Spiele dieses Genres üblich, muss der Spieler taktisch klug vorgehen: Anfangs mag man zwar noch den Boden mit den einfachen Gaunern aufwischen, doch in späteren Missionen ist es überlebenswichtig, sein Team ausgewogen aufzustellen und die Energieleiste seiner Helden gut im Auge zu behalten. Natürlich kann es auch nicht schaden, die Umgebung zu seinem Vorteil auszunutzen.


Das ist doch kein Knüppel! DAS ist ein Knüppel!

Erfolgreich abgeschlossene Missionen bringen Prestige (zum Rekrutieren neuer Helden ins Team; selbstverständlich sorgen übermäßige Sachbeschädigung und Verletzung von Zivilisten hier für Abzüge) und Erfahrung (braucht man zum aufleveln der Helden, wodurch man alte Fähigkeiten verbessern und neue freischalten kann). Natürlich bekommen die vier aktiven Helden mehr Erfahrung als der Rest, der im HQ sitzt und Däumchen dreht. Folglich kann es nie schaden, immer mal wieder die Teammitglieder auszutauschen.

Wie man von Superhelden erwarten kann, haben die verschiedenen Charaktere alle Arten von durchgedrehten Fähigkeiten: Minuteman kann problemlos auf Dächer hüpfen und Kugeln von sich abprallen lassen, El Diablo kann fliegen und diverse feurige Attacken ausführen, The Ant (der Spider-Man dieses Spiels) wirft mit Säurebomben um sich, Bullet (der örtliche Flash-Verschnitt) ist SEHR schnell, und Man'o'War (ein coolerer Aquaman) ist ein ziemlich guter Sean-Connery-Imitator :kicher:

Zwar ist nicht jeder Held gleich gut (was man schon an den unterschiedlichen Prestige-Kosten sieht), aber es ist dennoch immer praktisch, mit verschiedenen Team-Kombinationen herumzuspielen. Jeder Held hat nämlich ein anderes Gimmick, ist gegen andere Schadensarten resistent oder empfindlich und kann selbst unterschiedliche Schadensarten verursachen. Zudem sollte man immer einen genauen Blick auf die Feinheiten der unterschiedlichen Angriffe werfen: Einige haben eine hohe Betäubungswahrscheinlichkeit (SEHR praktisch), andere haben jede Menge Knockback (und wer möchte seine Gegner nicht quer über die ganze Karte katapultieren?) und wieder andere sorgen für schädliche Statuseffekte.


Mission erfolgreich beendet - doch die nächste folgt sogleich!

Freedom Force macht vor allem eins: Spaß. Das Spielprinzip ist leicht erlernbar, die Action herrlich übertrieben (und dabei nie unübersichtlich) und die Missionen bieten genug Abwechslung. Gleichzeitig kann das Spiel ziemlich herausfordernd sein: Einige spätere Gegner können das halbe Team in Stücke reißen, wenn man nicht aufpasst.
Hier lohnt es sich, die Karte gründlich nach Kanistern mit Energy X (die Power-Ups des Spiels) zu durchsuchen, und zur Not startet jeder Held die Mission mit einer Hero Medal, die wahlweise die HP, Energie oder den Status des Helden wiederherstellt.

Neben der Kampagne gibt es einen Danger Room (benannt nach dem Holodeck-artigen Trainingsraum der X-Men), indem man entweder erfüllte Missionen erneut bestreiten kann oder sich in den Skirmish-Modus spielen kann. Auch Multiplayer gibt es. Spielbar sind in beiden Fällen ALLE Helden und Schurken im Spiel.


Pimp my Hero.

Und wem das nicht reicht, der kann seinen eigenen Helden kreieren, den man sogar in der Kampagne rekrutieren kann. Als Vorlage dienen dabei fast alle offiziellen Charaktermodelle und eine Handvoll generischer Helden. Dann stellt man die Werte und Fähigkeiten ein und sucht sich seine Superkräfte aus. Hier kann man aus einer ganzen Liste vorgegebener Kräfte wählen und sie bis ins kleinste Detail anpassen. Nur Schade, dass man für neue Modelle und Skins selbst modden (oder das reiche Angebot des Internet nutzen) muss. Nichtsdestotrotz ein SEHR nützlicher Editor.

Grafik

Das Spiel benutzt kein Cel-Shading, ist aber denoch sehr comichaft und ist dadurch sehr gut gealtert. Die Charaktermodelle sind immer noch ansehnlich, ebenso die Objekte - obwohl die meist nur sehr einfache Polygonmodelle mit äußerst schicken Texturen sind. Das einzige Manko der Engine ist, dass die In-Game Charaktermodelle nach Warcraft-3-Manier in Cutscenes nur dastehen und ihre Münder nicht öffnen können. Aber immerhin gibt es Geräusch-Sprechblasen ^^

Videosequenzen sind (wie man in meinem letzten Link sehen konnte ) im Prinzip Motion Comics, was sehr zur Atmosphäre beiträgt - nicht zuletzt durch das Artwork, das sich stark an den Werken des unsterblichen Jack Kirby orientiert. Comic-Fans werden also ihre Freude haben.

Sound

Die Soundeffekte sind sehr gut und die Musik sehr passend. Der wahre Star in Sachen Sound sind jedoch die Sprecher, die allesamt sehr geschwollen reden und nicht selten einen übertriebenen Akzent verwenden - perfekt fürs Silver Age. Adam West muss ziemlich stolz sein :cool:

Kompatibilität

Die Steam-Version läuft alles in allem problemlos auf modernen PCs und unterstützt alle gängigen Auflösungen, hat jedoch die ein oder andere Macke: Bei mir zum Beispiel stürzt das Spiel praktisch immer ab, wenn ich es beenden will (was jedoch nicht weiter stört). Zudem hat der Sound die Angewohnheit sich abzuschalten (man muss dann aber einfach nur ins Optionsmenü gehen). Wer außerdem den offiziellen Editor zum erstellen eigener Karten und Kampagnen installieren will, muss zudem ein wenig an der Registry herumfummeln, bis die Setup-Datei das neue Installationsverzeichnis anerkennt.
Zudem kann es sein, dass der Multiplayer-Modus Probleme bereiten kann. Hab ich jedoch nicht angetestet.

Fazit

Freedom Force bietet jede Menge Spaß und Herausforderungen in der Tradition des besten Comiczeitalters aller Zeiten (okay, das zweitbeste. Das Golden Age mit seinem Hitlergeboxe ist einfach unschlagbar :lol: ). Comic- und Taktik-Fans können hier unbesorgt zugreifen.
 
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