Die amerikanische Überempfindlichkeit für political correctness trägt beizeiten schon bizarre Blüten, wie im Falle des neuen Films von "Training Day"-Regisseur Antoine Fuqua: Der kam in die amerikanischen Kinos, als die Regierung gerade verstärkt mit ihren Kriegsspielen im Irak begann. Und weil ein paar Marketing-Herren wohl der Auffassung waren, dass man in solch einer Zeit nicht mit einem Film an den Start gehen sollte, der "Man of War" (erster Arbeitstitel), "Hostile Act" (zweiter Arbeitstitel) oder auch nur "Hostile Rescue" (dritter Arbeitstitel) heißt, einigte man sich schließlich auf den herrlich unverfänglichen Namen "Tränen der Sonne" - damit tritt man wenigstens niemandem auf die Füße. Man erreicht allerdings auch sonst nichts: Einem Kriegsfilm einen derart nichtssagenden und schlussendlich bedeutungsleeren Titel zu geben, vermittelt einen falschen Eindruck davon, worum es im Film geht, und ergo bleibt das Publikum weg: "Tränen der Sonne" war in den USA - trotz Bruce Willis in bester Heldenpose - ein mittelschwerer Flop. Ob das wirklich am Irak-Krieg lag, ist zu bezweifeln.
Der Film selbst kann jedenfalls nicht wirklich etwas dafür, denn auch wenn an einigen Hollywood-typischen Stellen arg geschwächelt wird, ist das Gesamtergebnis positiv zu beurteilen. Im Zentrum der Handlung steht der Armee-Lieutenant A.K. Waters (Bruce Willis, wortkarg und mit steinharter Miene, großartig), der in den Wirren eines Bürgerkrieges in Nigeria (der genaue politische Kontext des Films ist übrigens erfunden) mit einer an sich simplen Rettungsmission beauftragt wird: Mit seiner Einheit zu einem Dschungel-Hospital vordringen, die dort sitzenden Amerikaner (drei Geistliche und eine Ärztin) rausholen, und ab dafür. Dieses einfache Rein-Raus-Szenario verkompliziert sich allerdings: Die drei Geistlichen wollen gar nicht gehen, und die Ärztin Dr. Lena Kendricks ("Matrix Reloaded"-Leckerli Monica Bellucci) nur, wenn sie ihre einheimischen Freunde und Patienten mitnehmen kann. Waters, einzig an der Erfüllung seiner Mission interessiert, lockt die Ärztin zunächst mit falschen Versprechungen in den Hubschrauber, als er jedoch aus der Luft die Gräuel beobachtet, welche die massenmordenden Rebellen verübt haben, macht er kurzerhand kehrt. Zusammen mit den sechs Soldaten seiner Einheit und Dr. Kendricks will Waters die Gruppe der Überlebenden quer durch den Dschungel über die Grenze nach Kamerun bringen - mit einer Horde von Rebellen direkt an ihren Fersen.
Was hier beginnt, verspricht über weite Strecken ein Action-Kriegsfilm mit überraschend nachdenklichen Untertönen zu werden. Die Eindrücke von brutalsten "ethnischen Säuberungen", wie sie viele Gebiete Afrikas seit Jahrzehnten in diversen Bürgerkriegen heimsuchen, verfehlen ihre Wirkung nicht, und die moralische Entscheidung Waters', entgegen seiner direkten Befehle umzukehren und sich bewusst ins örtliche Kriegsgeschehen einzumischen - um "endlich mal wieder das Gefühl zu haben, das Richtige zu tun" - kann durchaus als Parabel auf das Verhalten der westlichen Welt (nicht unbedingt nur der USA) verstanden werden, die in derlei Situationen meist einzig darum bemüht ist, die Haut der eigenen Staatsbürger zu retten, während links und rechts von ihnen Hunderttausende dahingemeuchelt werden.
Das Ganze wird von Antoine Fuqua und seinem Kameramann Mauro Fiore in bestechend brillante Bilder gepackt. "Wir machen einen Dschungel-Film, wie ihr ihn seit ‚Apocalypse Now' nicht mehr gesehen habt" war hier wohl die Devise, und das gelang beeindruckend. Mit kontrastreichen Bildern in dominierenden Schwarz- und Grüntönen vermittelt Fuqua sehr effektvoll ein Gefühl von der unmittelbaren Bedrohung eines solchen Einsatzes: Die Unübersichtlichkeit des Dschungels, wo sich selbst wenige Zentimeter vor den eigenen Füßen ein Feind unbemerkt verstecken kann, wird kongenial eingefangen. Mit den zunächst in Tarnbemalung und tiefster Nacht operierenden Soldaten und ihren afrikanischen Begleitern hält Fuqua ganze Sequenzen frei von hellen Farben - abgesehen vom Weiß in den Augen. Das Ergebnis ist ein atmosphärisch extrem dichter Film, der zumindest hinsichtlich der Oberflächen-Schönheit seiner Bilder als sehr gelungen eingestuft werden muss.
Doch leider gibt es noch etwas mehr als grandiose Kameraarbeit, und was Story und Entwicklung betrifft, fällt "Tränen der Sonne" nach einer relativ starken ersten Stunde leider allzu tief in den Konventionstopf. Eine Veränderung, die sich kurioserweise am Wetter festmachen lässt: Zu Beginn gibt's hier viele Klimawechsel (was sicherlich auch daran liegt, dass Regisseur Fuqua häufig nach Regen gelüstete, damit's besser aussieht - aber solange das funktioniert, soll er das gerne tun). Doch als diese ausbleiben, geht mit den dunklen Wolken auch die dunkle Stimmung fliegen: Durch eine relativ lahme Plot-Wendung dramaturgisch noch so gerade auf drei Akte gestreckt, verflacht "Tränen der Sonne" in der letzten halben Stunde leider zu einem standardisierten Shootout-Showdown, der mit dem gewohnten Nachschlag an Pathos dann auch noch die Heldenhaftigkeit der strammen Soldaten überspannt und so den eleganteren, subtilen Ton des Anfangs weitgehend zunichte macht.
Positiv zu verzeichnen ist hingegen, dass man der Versuchung widerstanden ist, eine halbgare Romanze zwischen Bruce Willis und Monica Bellucci einzubauen, was reichlich lächerlich gewirkt hätte. Indes erweist sich die Ärztin Dr. Kendricks nun als weitestgehend belangloser Charakter: Abgesehen von ihren ständigen unproduktiven Stänkereien ("Meine Leute brauchen Ruhe!" verlangt sie fortlaufend, obwohl sie eigentlich wissen sollte, dass eine Pause gleichbedeutend mit dem Tod durch die Waffen der Verfolger ist) hat sie im Schlussdrittel des Films so ziemlich jede Relevanz verloren und ergo auch noch kaum etwas zu sagen.
Spekulationen sind berechtigt darüber, wie es zu dieser Verflachung in Richtung Schluss kam: Hat Regisseur Fuqua, der schon bei "Training Day" zuviel Angst vor der eigenen Courage zeigte und sein heißes Eisen auf halber Strecke fallen ließ, sich wieder nicht getraut, konsequent gegen die Konventionen anzusteuern? Wollten die Produzenten keinen allzu düsteren Moralfilm und lieber einen heldenhaften Showdown in solch krisengeschüttelten Zeiten? Es wäre interessant zu wissen, wie "Tränen der Sonne" ursprünglich (mit einem anderen Titel) einmal aussehen sollte. Es hätte unter Umständen ein wirklich großartiger Film werden können. So bleiben lediglich eine handwerklich hervorragende Inszenierung und der Hauch von etwas Besonderem, der sich im Getöse des Gewöhnlichen verliert.