Lord_Data, um ehrlich zu sein, finde ich deine Ansichten etwas festgefahren und zu undurchdacht. (Ich weiß, du meintest, du wolltest damit keine Diskussion in dieser Richtung auslösen, aber ich habe den Drang, mich trotzdem dazu zu äußern.)
Ich gehöre zu den Menschen, die kein Organ spenden, aber eines annehmen würden. (Das bezieht sich jetzt nur auf das Spenden nach dem Tod.) Und ich fühle mich in keinster Weise heuchlerisch oder doppelmoralisch, sondern eher im Gegenteil - ich tue die Dinge so, wie sie sich für mich persönlich am Richtigsten anfühlen. Und das tun wir doch im Grunde alle, das ist es doch, worauf das ganze Leben aufbaut.
Mein persönlicher Grund ist, dass ich den bloßen Gedanken daran, nach dem Tod aufgeschnitten zu werden, ziemlich abschreckend finde und einfach möchte, dass mein Körper bleibt, wie er ist, weder verbrannt noch andersweitig seiner Form beraubt in einem Stück vergraben werden soll.
Ich weiß nicht, was uns nach dem Tod erwartet und obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass wir unseren Körper nach dem Tod nicht mehr brauchen, möchte ich trotzdem einfach 'ganz' bleiben. Ich möchte wissen, was mit meinem Körper nach dem Tod geschieht. Ich möchte mir vorstellen können (obwohl ich es mir nicht gerne vorstelle), vollständig in einem Sarg vergraben zu werden. (Ich weiß, dass man sich dessen niemals sicher sein kann, aber ich denke, ihr versteht schon, was ich meine.)
Das ist einfach meine Mentalität. Was ist daran so verkehrt? Mein Körper ist das intimste, was ich besitze, und nun soll es moralisch verwerflich sein, dass ich das tue, was mir für meinen intimsten Besitz am liebsten ist, nur weil ich damit potenziell einen Menschen retten könnte?
Lebe ich für mich oder lebe ich für andere? Und nein, das hat nichts mit 'alle anderen auf der Welt sind mir ******egal'-Mentalität zu tun, aber man muss eine Grenze ziehen können zwischen dem, was man für andere tut und dem, was man nicht für andere tut, weil man mehr auf sich selbst bedacht ist. Und eine Grenze bei seinem eigenen Körper zu ziehen finde ich ziemlich nachvollziehbar und absolut nicht moralisch verwerflich. Egal, ob der Körper nun lebt oder nicht.
Der Mensch lebt nun einmal hauptsächlich für sich selbst. Gesellschaft funktioniert trotzdem, weil Menschen ein gewisses Maß an Verantwortungsgefühl, Gewissen und Emotion für ihre Umwelt aufbringen können und es deswegen genug Menschen gibt, die sich gut dabei fühlen, wenn sie wissen, nach dem Tod noch etwas Sinnvolles vollbringen zu können, indem sie ihre Organe spenden. Diese Menschen handeln ebenso nach ihrer Mentalität wie die, die eben sagen, dass sie das nicht möchten, weil ihr Körper so bleiben soll, wie er ist.
Und das ist doch absolut in Ordnung. Wer würde denn einen Organspendeausweis unterschreiben, ohne mit dem Gefühl belohnt zu werden, etwas Richtiges und Gutes getan zu haben? Psychologisch betrachtet interessieren die Menschen, die man damit retten könnte, weniger, als das gute Gefühl, das man damit hat - eben das Gefühl, das Richtige zu tun. Und dieses Gefühl kann man nicht einfach pauschal auf jeden anderen Menschen übertragen. Wenn ich das Gefühl widerlich finde, dass mir meine eigenen Organe entnommen und jemand anderem eingesetzt werden, den ich auch nie kennenlernen werde, der dann mit meinen Organen durchs Leben hüpft, die in meinem Körper gewachsen sind und mich einst am Leben gehalten haben, denke ich eben für mich persönlich nicht, dass ich das Richtige tue, wenn ich meine Organe spende.
Aber wieso sollte ich dann keines annehmen, wenn ich es brauche, von einem Menschen, der eben damit für sich selbst das Richtige tut? Ich sehe die unterstellte Doppelmoral nirgendwo. Das hat einfach was mit Toleranz zu tun und dem Verständnis, dass jeder eine andere Ansicht dazu hat, was für einen selbst am besten ist. Dass es verschiedene Mentalitäten gibt.
Ich finde, Tenwo hat sehr schön zum Ausdruck gebracht, dass es viele Arten gibt, irgendwie irgendwo im Leben etwas zu tun, was anderen hilft. Jeder ist anders gepolt und die, die ihre Organe behalten möchten, tun dann vielleicht Dinge für andere, die die, die lauthals 'Ihr müsst alle Organe spenden, sonst seit ihr schleeeecht!' brüllen, vielleicht nicht machen würden.